Meines Erachtens ist das grösste Problem an der Raserdebatte, dass die Medien ein Feindbild kreiert haben, welches in der Realität so nicht existiert.
Das Wort "Raser" wurde von der Presse in den letzten Jahren für mehr oder weniger alle Fälle verwendet, welche mit Geschwindigkeiten über dem gesetzliche erlaubten Limit, bzw. über dem OBV-Limit zu tun hatten. Die Gesellschaft wurde (über-) sensibilisiert, Politik und Justiz mussten damit umgehen und waren überfordert. Problematisch dabei war (und ist), dass keine Legaldefinition des Wortes "Raser" existiert. Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Verkehrspsychologie (und nicht zuletzt eben die Medien) haben alle eine andere Definition des Rasers.
Es ist sehr einfach sich profilieren zu wollen und harte, weit reichende Massnahmen gegen Raser zu fordern. Allerdings können die wenigsten Initianten solcher Forderungen auch eine vernünftige Definition des Begriffes "Raser" abgeben. Es wird, wie schon so oft in der Politik, generell "das Böse" beklagt und zu bekämpfen versucht, ohne den konkreten Missstand genau (und fair) umschreiben zu können. Und die (bundes)gerichtliche Verwässerung der Abgrenzung von bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz hat in diesem Zusammenhang auch nicht unbedingt zur Klärung der Situation beigetragen.
Auffällig ist, dass vor allem an Fahrphysik interessierte und überduchschnittlich gut ausgebildete Motorfahrzeugführer eine weit reichende Definition des Raserbegriffes zu bekämpfen versuchen. Diese Personen, welche meist regelmässig Fortbildungskurse oder seriöse Rennstreckentrainings besuchen, sind aufgrund ihrer Kenntnis der Fahrphysik und der Vernunft, eine Situation einschätzen zu können eben auch weniger gefährlich als Fahrzeugführer, welche auf öffentlichen Strassen einen Rauschzustand ausleben wollen. Es kann nicht sein, dass diese gleichgestellt werden mit Fahrzeugführern, die meist Junglenker ohne Erfahrung sind und mit der Physik ihrer oftmals viel zu starken Fahrzeuge schlichtweg überfordert sind. Die Notwendigkeit einer Differenzierung drängt sich somit mehr als auf.
So oder so, dies soll keineswegs ein Freibrief für überhöhte Geschwindigkeit sein. Allerdings setzt genau hier die kritische Frage an: wie grenzt man den Raser vom Schnellfahrer ab? Ein Bild einer Radar- oder Laseranlage ist eine Momentaufnahme. Ob kurzzeitig bei übersichtlichen Bedingungen überholt wurde oder hirnlos gerast wurde, kann dadurch nicht ermittelt werden. Eine rein geschwindigkeitsbezogene Abgrenzung wird folglich den Umständen im Einzelfall nicht gerecht und ist rechtsstaatlich höchst bedenklich.
Meines Erachtens ist es von grösster Wichtigkeit, dass eine Raserdefinition geschaffen und verwendet wird, welche den Umständen im Einzelfall gerecht werden kann. Die Schuld eines Verkehrsteilnehmers kann nur dann geklärt werden, wenn sämtliche Faktoren berücksichtigt werden.
Die Politik ist gefordert, sich nicht durch die Medien instrumentalisieren zu lassen und aus Profilierungsgeilheit möglichst schnell eine realitätsfremde Lösung zu erarbeiten. Die Polizei ist gefordert, das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer zurückzugewinnen, indem an sicherheitstechnisch relevanten Orten relegmässig kontrolliert wird, dafür aber auf verhältnismässig ungefährliche (und dafür budgetintensive) Orte verzichtet wird. Und die Gesellschaft ist gefordert, nicht jeden medialen hype zu glauben, rationale Gelassenheit an den Tag zu legen und nicht bei jeder Gesetzesübertretung härtere Strafen zu verlangen.
Leben und leben lassen. Sonst können wir gleich wieder anfangen Steine zu schmeissen.