Ich weiss, es ist Dienstagabend, draussen geht die Welt unter und einige reden schon vom kommenden, langen Wochenende. Im Sinne einer Art von Vergangenheitsbewältigung werfe ich noch einmal einen Blick zurück. Ich gebe zu, im 20 Minuten wäre der Bericht am Montag in aller frühe in den Boxen gelegen, aber erstens will ich mich nicht mit derart Trivialem wie einer Gratiszeitung messen, zweitens wäre ich eh im Schatten des neuen Sweetys der Nation, dem Mr. Schweiz der lesen und schreiben kann, gestanden und drittens (alle guten Dinge sind schliesslich Drei) müssen sich gewisse Dinge nun mal erst etwas setzen - abgesehen davon war Sébastien Buemi ja noch früher an den Boxen als 20 Minuten
Nun denn, wie es sich gehört war natürlich auch ich am Wochenende in der grossen Stadt unterwegs, die jedes Wochenende von Party-Pilgern aus Ost und West, sprich den Kantonen Thurgau und St. Gallen im Osten, Bern und Solothurn im Westen, und aus dem grenznahen Ausland, sprich dem Aargau, heimgesucht wird. Immer wieder schön anzusehen, wie sich das weibliche Geschlecht aufdonnert und die Herren der Schöpfung die Haargelindustrie ankurbeln. OK, bei einigen Mädchen hat man irgendwie das Gefühl der Sihlquai hätte gerade Pause und will sich in den Läden rund um die Hardbrücke aufwärmen (selbstverständlich nicht nur auf der Westside, auch im Bereich Seefeld und sonstwo gibt es solche Exponate). Wir wollen aber ja mit den Damen nicht zu hart ins Gericht gehen, schliesslich gibt es in der City sehr viele schöne Ladys (Eingeborene oder Importierte - wen interessierts?) die einen schon nur durch ihren Anblick entzücken. Traurige Realität ist allerdings, dass man es oft besser beim anblicken belassen würde, ich wundere mich oft, dass bei gewissen Frauen keine Seifenblasen aus dem Mund strömen, denn viel mehr Inhalt als ebendiese haben deren Aussagen nicht. Aber auch die muss es geben, schliesslich brauchen ja viele Schleimologen wieder eine neue Kerbe in ihrem Bettpfosten, so ist der Markt also gut bedient.
Ich schweife ab und vermittle den Landleuten ein völlig falsches Bild von Zürich, schlimmer noch, ich bestätige die allgegenwärtigen Vorurteile, dass Zürich oberflächlich und arrogant sei. Das stimmt so nicht, Zürich ist in Wahrheit super. Die Zwinglistadt bietet sowohl kulturell wie auch kulinarisch vieles von dem man anderorts nur träumt (deshalb denke ich, dass viele der Vorurteile auch irgendwo aus Neid entstanden sind).
Aber ich schweife schon wieder ab. Ich streife also mit meinen zwei Begleiterinnen durch das Nachtleben, nicht dass ich Carli Konkurrenz machen wollte, es hat sich per Zufall ergeben, dass ich eine Blonde und eine Dunkelhaarige dabei hatte (letztere übrigens eine Bernerin im Exil, Zürich ist eben multikulturell). Das nächste Mal werde ich natürlich schauen, dass ich noch eine Rothaarige dabei habe, damit ich meine als deutschfeindlichen interpretierten Ergüsse wieder gut machen könnte indem ich mit den Farben Rot-Schawarz-Gold durch die Gegend ziehe (OK, blond ist nicht gold, aber seien wir ehrlich, gelb ist auch nicht gold, wenn man die deutsche Flagge einmal näher betrachtet). Beim ersten Club angelangt schwant mir schon Böses, als ich die Menschentraube vor dem Eingang sehe, das wird wohl bedeuten, dass wir mindestens 20 Minuten (diesmal als Zeitangabe) in der Schlangen stehen werden. Beim näherkommen merke ich aber, dass das gar keine Schlange ist, sondern die Raucher, die man nach draussen verbannt hat. Glück gehabt, und drin sind mindestens noch einmal soviel Leute wie draussen auf dem Trottoir. Das Sammelsurium an Selbstdarstellern und Egozentrikern erstaunt mich immer wieder und die Anbaggermethoden gewisser (männlicher) Zeitgenossen sind immer wieder amüsant. So fragte ein Mann mit Schal (obwohl ich wenig männliches daran finde in einem Tanzlokal einen Schal zu tragen, meine Mutter hätte mir wohl als Kind gesagt ich soll den ausziehen, weil ich sonst kalt hätte, wenn ich wieder nach draussen müsse), den ich erst für einen Deutschen gehalten hatte, sich aber dann als Holländer entpuppte (da ist es wieder, das Multikulturelle) "meine" Blonde, ob sie ihm mit dem Zahnstocher helfen könne ihm irgendetwas aus den Zähnen zu entfernen, das ihn störte. Hallo? Nun, ich habe mir auf jeden Fall in meinem imaginären Notizbüchlein notiert, dass ich das nächste Mal in einem Vollrausch eine hübsche anwesende Dame, mit der ich die Nacht zu verbringen gedenke, mit folgendem Spruch aufreisse: "Baby! Fudi putze!", ich werde zu gegebener Zeit über den Erfolg dieser Methode berichten.
Irgendwann wurde es aber in dem Club zu öde und der Vodka mit Eis zu teuer, so dass wir uns entschieden weiter zu ziehen, nicht zuletzt auch wegen den Alternativgerüchen, die nun auffielen, da das Rauchverbot flächendeckend umgesetzt worden ist. Das Niederdorf sieht aus wie ein mit Krebsgeschwüren überwuchertes Labyrinth, im Halbdunkel der Strassenlampen erinnern die qualmenden Ansammlungen an eine Szene aus dem Film Alien – ich denke Hansruedi könnte sich da reichlich Inspiration holen (wohnt ja gleich um die Ecke). Auch vor den angesagtesten Lokalitäten dasselbe Bild, da bekommt der Begriff Partymeile gleich eine neue Bedeutung. Aus der Meile wird vielmehr ein Bürgersteig (wie ihr merkt gehe ich auf teutonischen Kuschelkurs). Wie lange das wohl gut geht und die Lokale keinen Ärger mit den Anwohnern haben werden?
Irgendwann waren wir des Clubhoppens müde, überall schöne Leute, kein Rauch um nix, poppigen Drinks (ohne Schirmchen, dafür werden die teilweise aus Gläsern getrunken, die wie Ausstellungsstücke im Museum of Modern Art aussehen) und viel Seifenblasen kommt die Lust nach etwas ehrlichem auf und wir verziehen uns in ein abart-ig gemütliches Lokal, wo zur Abwechslung endlich nicht nur elektronische sondern echte Rhythmen die Leute bewegen und ein himmlisches Turbinenbräu die Seele erfreut.
Irgendwann höre ich Vögelzwitschern… ich bin am leben, draussen, es wird hell, ein Kastenwagen der Polizei rast mit Blaulicht an vorbei und ich fühle mich glücklich, frei und – zuhause.