Nun, in einem Forum voller Automobilfetischisten ist das vielleicht ein etwas befremdlich wirkendes Thema aber ich dachte ich will euch einmal ein wenig am alltäglichen Wahnsinn in Bus und Zug Teil haben lassen. Man sagt ja "alle reden vom öffentlichen Verkehr, aber keiner traut sich" - da ist wohl etwas falsch verstanden worden, aber das ist ein anderes Thema.:)
Ich bekenne mich ein GA zu besitzen und nicht mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Angesichts der aktuellen Lage auch Schweizer Strassen könnte man das fast schon als Privileg betrachten: keine Staus, keine Blitzer, keine Cops. Allerdings hat auch der ÖV Schattenseiten, die allerdings mit etwas Humor teilweise sogar fast amüsant wirken.
Wir Schweizer sind ja Weltmeister im Zug fahren. Nirgends auf der Welt wird soviel Zug gefahren wie hier. Was aus ökologischer Sicht durchaus sinnvoll ist, mutet teilweise schon fast wie ein Darwin-mässiger Feldversuch an, der die Fortschritte der menschlichen Evolution aufzeigen soll. Dieser ist allerdings schwer erkennbar, so könnte es auch an einem belebten Samstagvormittag in der Serengeti zu und her gehen - Löwen und Gazellen.
Get in the Ring! Der Anpfiff der Partie "Gesellschaft vs. Wahnsinn" findet morgens am Kaffeetresen statt, nach den ersten harten Pässen findet dann der erste Bodycheck beim Einsteigen in den Zug statt. Die Türe öffnet sich und der frei werdenden Öffnung steht eine ungleich grössere Menschenmasse gegenüber. Allerdings weiss diese Masse nicht, dass sie soviel grösser ist, weshalb sie dann auch versucht in ihrer vollen Grösse auf einmal in den Zug zu kommen. Die Leute haben panische Angst, dass sie keinen Sitzplatz mehr ergattern könnten, dabei hat es – wie jeden morgen – genügend freie Plätze für jeden. Aber halt! nicht alle sind so. In diesem Getümmel gibt es doch immer mindestens ein Beta-Weibchen das eher eingeschüchtert als sozial zig Leute vorlässt. Das ist dann quasi die langsamste Gazelle, die bereits schon den Atem des Löwen im Genick spürt.
So geht es also dann eingepfercht in 4er Abteils durch den Morgen, eine Ideale Gelegenheit für Männchen und Weibchen sich zu beschnuppern – diskret wie wir Schweizer sind würde das offiziell natürlich niemand zugeben aber dem genauen Beobachter entgeht das keineswegs. Diese Phase könnte man als die Ruhe vor dem Sturm bezeichnen. Angekommen im Hauptbahnhof Zürich – von Eingeborenen liebevoll HB genannt – gleicht das Aussteigen aus dem Zug einem Sprung in einen reissenden Fluss. Augenblicklich wird man mitgerissen und die Masse schiebt einen langsam aber sicher da hin wo man will (ok, die meisten, beim Beta-Weibchen muss ich das stark bezweifeln). In der modernen Zeit gibt es zum Glück die Möglichkeit dieses Treiben mit einem selbst gewählten Soundtrack zu unterlegen. Die Spezies der Pendler ist wie es scheint von Geburt an mit Ohrstöpseln ausgerüstet, jeder trägt sie. Meistens in Weiss von einem Hersteller der offenbar gerne Äpfel ist. Dies kann aber zu seltsamen Gedanken führen… Da frage ich mich plötzlich - beflügelt von irgend einem Punk-Rock Song, der gerade direkt in mein Hirn geblasen wird – was wohl passieren würde, wenn ich aus der Masse ausbrechen und wie eine Mischung aus Angust Young und Johnny Rotten wild rumhüpfen, headbangen und dabei Luftgitarre spielen würde… Schliesslich lasse ich es dann doch sein und schwimme weiter mit dem Strom und da plötzlich Schock! das Unfassbare. Da stehen doch tatsächlich ein paar Aargauer auf der linken Seite der Rolltreppe - das Gefüge ist erschüttert! Schnell werden aber die Fehlbaren mit bösen Blicken und notfalls mit roher Gewallt in Form von Schulterstupsern auf die rechte Seite bugsiert und der Flow ist wieder hergestellt… Schliesslich erreiche ich tief im Untergrund meine S-Bahn in welcher dann noch tiefer in die Seele unserer Gesellschaft eingedrungen wird, weil mittlerweile alle sozialen Schichten vertreten sind. Leicht verrottete Indivduen, das Frühstücksbier griffbereit, krasse Räuber-Rapper die mit ihren Handys (vom Discounter, ohne Abo für 39.95) Bushido und andere angesagte Songs von Bravo Hits 64 den ganzen Zug unterhalten, Switzerlands-Next-Topmodel für Anfänger sind auch da und sonst das ganze Spektrum von Exoten die einem den Tag versüssen.
Nach einer Fahrt durch die Katakomben der Stadt erreicht man schliesslich dann sein Ziel und Angesichts dieser Odyssee im Weltraum ist das Ankommen im Büro eine reine Wohltat: Welcome home!