Wie Honda heute bekannt gegeben hat, wird die nächste Saison für das Unternehmen die letzte in der Formel 1 sein. Als Grund für den Ausstieg aus der prestigeträchtigen Rennserie gibt der japanische Hersteller an, dass er das Ziel bis 2050 vollständig CO2-neutral zu werden, künftig höher priorisieren will. Die Ressourcen für Forschung und Entwicklung im Bereich von neuen Triebwerks- und Energietechnologien wie Brennstoffzellen- (FCV) und Batterieantrieb (BEV) soll stärker gewichtet werden. Zu diesem Zweck wurde schon im April das Zentrum Innovative Research Excellence, Power Unit & Energy ins Leben gerufen. Ziel dieser Abteilung soll es unter anderem sein das in der Formel 1 gesammelte Wissen in Triebwerks- und Energietechnologien für die Erreichung der CO2-Neutralität zu verwenden.
Honda war als Werksteam in den 1960er-Jahren auf die Weltbühne des Motorsports getreten. Das Renndebut am 2. August 1964 am Grossen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring war immerhin ein Achtungserfolg. Trotz Ausfall wurde der Honda RA271 von Ronnie Bucknum auf dem 13. Platz gewertet. Auch in den folgenden zwei Rennen in Italien und den USA erreichte der F1-Honda das Ziel nicht. Erst 1965 fuhr Richie Ginther mit dem Honda RA272 beim elften Rennen des Honda Formel 1-Teams am Grossen Preis von Mexiko den ersten Sieg ein. 2006 bis 2008 gab es mit BAR Honda ein kurzes Comeback als Werksteam. Das Engagement wurde aber wegen der Finanzkrise abrupt beendet.
Weitaus wichtiger war Honda in der Formel 1 als Motorenlieferant. Ab Anfang der 1980er-Jahre war Honda bis 2010 in unterschiedlichen Konstellationen für die Aggregate von verschiedenen Teams zuständig: Von Williams über Jordan bis zu McLaren. Die letztgenannte Partnerschaft verschaffte Honda durch die Zusammenarbeit mit Formel 1-Legende Ayrton Senna einen besonderen Platz in den Motorsport-Geschichtsbüchern. Senna konnte bei der Entwicklung von Hondas erstem Supersportwagen Honda NSX Akzente setzen und machte Hondas Flaggschiff damit selbst zur Legende.
Ab 2015 wurde das Engagement in der Formal 1 wieder aufgenommen. Ziel war es dabei sicher auch, mit neuen Technologien zu experimentieren und Hondas Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis zu stellen. An die Erfolge aus früheren Zeiten konnte die Partnerschaft mit McLaren nicht anknüpfen. Erst mit Red Bull Racing und Scuderia AlphaTauri (die sich bis zur laufenden Saison noch Scuderia Torro Rosso nannte) fand Honda in der Formal 1 langsam zur alten Grösse zurück, gerade in der laufenden Saison 2020.
Anders als 2008 erfolgt der Ausstieg dieses Mal mit Ansage und genügend Vorlaufzeit. Ebenfalls scheint man aus den Fehlern von vor 12 Jahren gelernt zu haben. Honda betont in ihrer Ankündigung, dass Motorsport zur DNA der Marke gehört. Der Ausstieg aus der Formel 1 und das gleichzeitige Bekenntnis zu Honda Racing werten wir auf jeden Fall positiv. Man sagt, die Geschichte wiederholt sich – das sehen wir nicht unbedingt so. Aber Geschichte reimt sich! Genau wie heute wurde auch 2008, als BAR Honda beinahe über Nacht stillgelegt wurde, eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategie als Grund angegeben. Damals hat man aber bei Honda auch gleich die gesamten sportlichen Wurzeln über Bord geworfen. Offenbar haben sich Ende der Nullerjahre viele Kunden nicht mehr mit dem von Honda eingeschlagenen Weg identifizieren können, zumindest in Europa nicht, wo gleichzeitig auch die Modellpalette noch einmal drastisch zusammengestrichen wurde. Honda hatte in Europa vor der Finanzkrise einen Marktanteil von knapp 2%, seither hat sich dieser mehr als halbiert und lag 2019 noch bei 0.8%. Mittlerweile hat es Honda geschafft, dass Sportlichkeit wieder mit der Marke in Verbindung gebracht wird, auch in Europa. Auch Hondas Elektroauto will sportlich verstanden werden und überzeugt mit seinem mutigen Retrodesign, ganz anders als die Hybrid-Biedermänner die uns damals vorgesetzt wurden.
Es ist sicher schade, dass sich Honda jetzt, wo es endlich laufen würde, aus der Formel 1 verabschiedet. Auf der anderen Seite muss man auch feststellen, dass die Formel 1 viel von ihrem alten Glanz verloren hat und nicht mehr die Bedeutung wie im 20. Jahrhundert hat. Forschung und Entwicklung für neue Triebwerks- und Energietechnologien können ausserhalb der Königsklasse des Motorsports wohl effizienter realisiert werden. Dass sich Honda entscheidet den Fokus im Motorsport auf den seriennahe GT- oder Tourenwagenrennsport zu verlagern ist deshalb nachvollziehbar.
Für Formel 1-Fans ist die Nachricht ein Schock, Honda-Enthusiasten müssen deswegen wohl aber nicht den Niedergang der Sportlichkeit befürchten. Gemäss aktuellem Wissenstand wird es auch von der 11. Civic-Generation wieder einen Type R geben – ohne Hybrid.
Fotos: Honda / HondaHolics